Kanzleikauf oder Kanzleigründung

Wer eine bestehende Kanzlei kauft, verdient unmittelbar – muss aber auch die Finanzierungskosten bestreiten

 

Wer heute als Steuerberater eine Kanzlei kauft, trifft auf einen freundlicheren Markt als noch vor einigen Jahren. Fakt ist, dass die Preise für Kanzleien sinken, da pro verkaufter Kanzlei weniger Interessenten vorhanden sind. Dennoch bedeutet der Kauf einer Kanzlei eine Investition im mittleren sechsstelligen Bereich. Dieses Risiko einzugehen, scheuen viele, scheint die zukünftige Ertragslage doch ungewiss. In der Tat steht die Steuerberatungsbranche heute vor einem gewaltigen Umbruch. Das betrifft zum einen ihre Struktur: Seit Jahren ist ein Konsolidierungsprozess im Gang, die Anzahl der Kanzleien steigt zwar nominal leicht an, jedoch nur, weil seit einigen Jahren die jährlich zahlreich hinzu kommenden Syndikusberater mit eingerechnet werden.

Die andere Seite des Wandels betrifft die Art der Dienstleistung, die Steuerberater in Zukunft erbringen werden. Traditionelle Geschäftsfelder fallen der Digitalisierung zum Opfer. So wird die Finanzbuchführung bald vollständig automatisiert sein, im Bereich der Einkommensteuer signalisiert die vorausgefüllte Steuererklärung bereits die Richtung. All dies führt dazu, dass die Investition in eine bestehende Kanzlei heute von immer weniger Existenzgründern als beste Alternative angesehen wird.

Auf der anderen Seite wirft eine bestehende Kanzlei vom ersten Tag an Gewinne ab, die Prozesse funktionieren, ein bestehender Mandantenstamm kann gepflegt und weiter ausgebaut werden. Auch qualifizierte Mitarbeiter sind bereits vorhanden und eingearbeitet, ein Faktum, das in Zeiten das Fachkräftemangels nicht unerheblich ist.

 

Automatisch Innovationsführer

 

Der Steuerberater. der neu gründet, hat dagegen den wesentlichen Vorteil, in einer Branche, deren Tätigkeitsprofil sich gerade radikal verändert, automatisch Innovationsführer zu sein. Ein Gründer gestaltet seine Kanzlei von Beginn an digital, handelt state-of-the-art und bietet seinen künftigen Mandanten diejenigen Dienstleistungen an, die Zukunft versprechen.

Dafür steht der Neugründer vor entbehrungsreichen Anfangsjahren und einer nicht minder ungewissen Zukunft. Die Gewinnung von Mandanten ist zunächst einmal schwierig, der Wettbewerb groß. Gründer müssen zwar keinen Kapitaldienst leisten, doch auch sie stehen vor Anfangsinvestitionen, deren Höhe häufig unterschätzt wird.

Unerlässlich ist ein detaillierter Businessplan, der Klarheit über den Kapitalbedarf und die Finanzierung gibt. Für Neugründer gibt es, ebenso wie für Käufer bestehender Kanzleien, im Übrigen eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten; die wichtigste sind die Kredite der KfW-Bank, die zu besonderen Konditionen ausgegeben werden.